Karlheinz Essl 1939 –
erat Verbum 2020-22
für Elektroni (5 min)
In erat Verbum wird gesprochen: Zwölf Männer und zwölf Frauen tragen, jeder und jede in einer anderen Sprache, Auszüge aus den ersten fünf Versen des ersten Kapitels des Evangeliums nach Johannes vor. Mal sprechen sie durcheinander, mal alleine, mal miteinander, mal nebeneinander her. Und mal sprechen sie gar nicht. Gerade gegen Ende des Stückes setzt ein Prozess der Abstraktwerdung ein, und zwar dadurch, dass durch Unkenntlichmachung der semantischen Strukturen des biblischen Textes die Unterscheidung von Sprache und musikalischem Material nichtig wird.
So klar die formale Anlage des Stückes – die sich grob als ein in vier Formteile gliedernder Prozess der Sprachwerdung mit anschließender »Vermusikalisierung« des Textes beschreiben ließe – auch sein mag, materialiter lässt sich erat Verbum weder der einen noch der anderen Sphäre, weder der Musik noch der Sprache, zuordnen. erat Verbum stellt Fragen: Wann wird Sprache zur Musik? Wie wird Sprache zur Musik? Und vor allem: In welchem Grenzbereich wird Musik beredt und Sprache musikalisch?
erat Verbum wurde mit einem vom Komponisten selbstgeschriebenen Computerprogramm realisiert, dessen graphische Benutzeroberfläche sich auf seiner Webpage einsehen lässt: https://www.essl.at/works/erat-verbum.html.