Trio Cosima Gerhardt, Seth Josel, Michael Weilacher

Deutsches Literaturinstut

Leipzig

10 Euro
6 Euro ermäßigt

Beyer, Halperin-Kaddari, Lou, Meadowcroft, Polzhofer

Deutsche Erstaufführung

Michelle Lou 1979 –
Sections 1-20 2014/rev. 2017

für Violoncello und Gitarre

The work is dedicated to WasteLAnd Music, and in particular to Nicholas Deyoe and Derek Joseph Stein who premiered this piece at ArtShare LA in Los Angeles, California on October 30, 2015. It is important to note that this piece originated as a commission for Leise Dröhnung (Niklas Seidal and Steffen Ahrens) as a response to "Foxfire Eins" by Helmut Oehring. What began as a process of revision turned into a complete re-write: a kind of refraction which has produced a new work. The title refers to 20 sections in Oehring's work that I labeled, which served to structure the previous version but now only serves as a memory. Therefore much credit also goes to the originators of this project for whom this final version would not exist. (Michelle Lou)

Uraufführung

Thomas Meadowcroft 1972 –
Country’n Gamelan #2 (Barang for Tammy) 2017

für Ensemble

Country 'n Gamelan is an imaginary music from 'Far North Queensland' (FNQ), Australia, that will be popularized towards the end of this century. In the two selections presented here, the nostalgia of objects and the joy of playing scales are celebrated. 'Barang' translates from Indonesian as things, 'pelog' as (musical-) scale. Tammy refers to Tammy Wynette, Robby to Robbie Basho. Strictly speaking, although Mr Basho's own music is an amalgam of Appalachian folk and Indian classical music, he becomes a seminal figure in the Country 'n Gamelan circles. (Thomas Meadowcroft)

Uraufführung

Kai Johannes Polzhofer 1989 –
„Keiner kennt seinen eigenen Namen [...]“ 2014-2017

für Gitarre

„Keiner kennt seinen eigenen Namen, keiner kennt sein wirkliches Antlitz“ (Léon Bloy), Vier Improvisationen nach dem Gedicht „grenzland“ von Anja Kampmann wurde im Winter 2014/15 komponiert. Das Werk gehört einem Zyklus von Kompositionen an („Keiner kennt seinen eigenen Namen, keiner kennt sein wirkliches Antlitz“ [Léon Bloy]), der zwischen 2013 und 2015 komponiert wurde und sich mit Fragen nach Identität, dem Verhältnis von Welt und Selbst, Erinnerung beschäftigt. An der Lyrik Anja Kampmanns hat mich eine nur sehr uneigentliche Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit interessiert. Es fallen in diesem Gedichtband die Räume zwischen Erinnertem und Jetzt auf, die von Kampmann in einem poetisch hochgradig imaginativen Grenzgehen als eine virtuelle Vergangenheit beschworen werden, die es so oder vielleicht grundsätzlich gar nie gab. Gegenwart und Vergangenheit, Wirklichkeit und Fiktion sind in dieser vermeintlichen Form authentischer Erinnerungsarbeit (und das, je mehr man in sie eintaucht), immer weniger klar voneinander zu unterscheiden. Und so erleben wir in den Gedichten eine Art „falsches“ Echo von Vergangenheit, die Evokation einer unerlebten Vergangenheit, die von der Autorin nicht erfahren wurde, sondern schreibend konstruiert wird – im Gegenteil etwa zu Proust, für den die Vergangenheit zwar auch immer nur durch Vergegenwärtigung ist, der unabhängig davon über die Textimmanenz hinaus aber einen Wirklichkeitsanspruch erhebt. Ohne den Roman und das erinnernde Subjekt mag Vergangenheit für Proust nicht eigentlich vergegenwärtigt werden, ist jedoch unabhängig davon, außerhalb des Romans, zweifellos geschehen. Erinnerung, so paradox das klingt, steht bei Anja Kampmann nun ohne direkten Bezug zu einer erinnerten Wirklichkeit. In den Gedichten kommt eine im Nichts hängende, oft berauschende Gegenwart von etwas zur Anwesenheit, das uns ebenso einnimmt wie, ob seiner Unwirklichkeit, rätseln macht. Und somit werden sowohl das vermeintlich erinnernde Subjekt, als auch eine durch das Erinnern an eine objektive Vergangenheit anknüpfende Welt dahinter hochgradig ambivalent, fragwürdig. Was an diesen Gedichten so besticht, ist, wie ich meine, eine immer sehr zarte Problematisierung eines hinter weltenschaffenden Sehnsüchten und „Erinnerungen“ sich verbergenden Ichs, das nur in seinem Träumen zu einer flüchtigen Anwesenheit kommt, dessen Existenz, ebenso wie die Wirklichkeit, auf die so Bezug genommen wird, im Vagen bleibt. Je mehr Anja Kampmann als Lyrikerin Welt und die lyrische Gegenwart eines Ichs schafft, umso radikaler stellen sich Grundfragen nach der Möglichkeit sowohl von Welt als auch diesem Selbst. Je mehr Aussagen gemacht werden, desto schleierhafter wird das hinter diesem Ausgesagten sich Verbergende. Insofern entfaltet sich hier eine radikale Poetik, die an die Bedingungen der Möglichkeit von Sprache und Identität fundamentale Fragen stellt. In meiner Vertonung habe ich mich einerseits auf die Analyse des konkreten Sprechrhythmus bezogen, dem die Autorin bei einer Lesung ihres Gedichtes folgte und woraus rhythmische Motivzellen, melodische Gestalten, aber auch musikalische Abschnitte im Werk gebildet wurden; andererseits wurde das dem Gedicht generell eignende Schweben zwischen klarer Sprache und atmosphärisch verdichtenden formalen Ambivalenzen auf musikalische Lösungen übertragen. Eine Ästhetik lyrischer Offenheit bei gleichzeitiger Präzision wurde hier zum Maß einer Musik, die in den Zwischenräumen von Wiederholung – der erste Satz wird dreimal wiederholt, erscheint aber aufgrund von gezielten Indeterminanten wie etwa offenen Fermatenlängen, teils uneindeutigen Tempoangaben, der Variabilität von Tonhöhen aufgrund der sukzessiven Herabstimmung der Saiten stets verändert – eine Entsprechung auf die Ort- und Heimatlosigkeit der zahlreichen lyrischen Subjekte in Kampmanns Gedichtzyklus „Proben von Licht und Stein“ sucht. Aus diesem Grund habe ich die Stücke auch nicht Kompositionen, sondern bewusst Improvisationen genannt, ist der Gitarrist doch wegen des teils sehr offenen Notentextes dazu gezwungen, stark augenblickshafte, immer sehr persönliche Antworten auf einen Text zu entwickeln, der sich nur in den Brüchen zwischen einer ebenso klaren wie verschleiernden sprachlichen Form und poetischen Bildhaftigkeit erschließt. Das Stück versucht so die Perspektive einer Lektüre des Gedichtes mit all den uns darin gestellten Herausforderungen einzunehmen. (Kai Johannes Polzhofer)

sein fliegen liegt nicht in der anatomie

zwischen federn und leichteren knochen

ahnst du einen punkt an dem die pappel

den himmel berührt was sind schwalben

einen sommertag lang auf dem hügel beg tal

der unruhige weizen wiesenblühn zwischen

den halmen dein sitz aus hörbarem wind

es ist tag ich behalte die nacht inne würde

nie mehr vergessen als jetzt wird es

einen tag geben an dem dieses rauschen

der bäume fehlte ach vogel der in seinem rad

rätsel geschrieben hat vom land genommen

unerkannt liegt es vor dir flächen noch ein paar

pflanzen und ich als grenze träume

dass ich die wiesen nicht mehr

unterscheiden kann.

Anja Kampmann (aus: Proben von Stein und Licht)
Deutsche Erstaufführung

Bnaja Halperin-Kaddari 1988 –
Supercentenarians 2017

für Kammerensemble

Super – From Latin "above, over, beyond”; Centenarian – a 100 year old person. 1 out of 1000 centenarians would live past their 110th birthday to become a supercentenarian. The oldest eel known to us died at the age of 155. Eel like motions, wavering, quavering through dense waters, fragile and frail. Body tremors project sound in all directions. Into the surround, interfering with the others, blending, listening. Receiving signals from tremble of thin air, reacting back and beyond. What happens after you cross the threshold? Will you respond to the call when it comes? (Bnaja Halperin-Kaddari)

Biografien

Cosima Gerhardt, geboren in Berlin, studierte Cello bei Stanislav Apolin, Alexander Baillie und Kleif Carnarius in Prag, Bremen und Berlin. Sie ver- legte ihren Schwerpunkt schon früh auf die zeitgenössische Musik. Als Kammermusikerin und Solistin brachte sie zahlreiche Werke zur Urauffüh- rung. Cosima Gerhardt ist Cellistin des Sonar Quartetts und des Kammer- ensembles Neue Musik Berlin.

Seth Josel wurde 1961 in New York geboren. Er erhielt seine musikalische Ausbildung an der Manhattan School of Music in New York und der Yale University. 1988 Fulbright-Hays Stipendium der amerikanischen Regie- rung. 1992/93 Stipendium der Akademie Schloß Solitude, Stuttgart. Solo- konzerttätigkeit seit 1986 in zahlreichen Ländern West- und Osteuropas sowie in Israel, Japan, Kanada und in den USA. Er ist als Solist bei nam- haften Festivals für Neue Musik engagiert worden, darunter Donaueschin- gen, Eclat, Huddersfield, MaerzMusik, New York Philharmonic Biennale. 1991-2000 war er festes Mitglied der musikFabrik. Er beriet und arbeitete mit zahlreichen Komponisten zusammen, darunter Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann, Tristan Murail, Phill Niblock und James Tenney. Zudem en- gagiert er sich sehr in Kollaborationen mit einigen der führenden jungen Komponisten unserer Zeit wie etwa Peter Ablinger, Richard Barrett, Chaya Czernowin, und Manfred Stahnke, die für ihn und sein Talent Werke ge- schrieben haben. CD-Einspielungen mit der musikFabrik, dem Ensemble Mosaik, dem DSO Berlin, dem Rundfunksinfonie- Orchester Berlin, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, dem Radiosinfonie Hilversum, dem Schönberg Ensemble Amsterdam und dem Champ d'Action Antwer- pen. Solo-CDs bei CRI und O.O. Discs; in Zusammenarbeit mit Ulrich Krieger wurde 2007 eine Portrait-CD von Gavin Bryars veröffentlicht bei Mode Records und Peter Ablingers „33-127“ erschien Februar 2009 eben bei Mode. In Vorbereitung für Mode ist eine DVD mit Instrumental-Theater Werken von Mauricio Kagel. Sein Buch - „The Techniques of Guitar Play- ing“ - ist 2014 bei Bärenreiter Verlag erschienen und seine Rekonstruktion von Morton Feldmans „The Possibility of a New Work for Electric Guitar“ ist 2015 bei Edition Peters erschienen. Seit 2016 ist Josel Research Fellow beim Orpheus Institut in Gent.

Der Schlagzeuger Michael Weilacher ist 1969 in Rochester NY geboren. Nach seinem Studium an der Eastman School of Music und am Conserva- tory of Music in Cincinnati, wo er in verschiedenen Rock-Gruppen und Orchestern aktiv war, zog er nach Rotterdam, um am dortigen Konserva- torium sein Master-Diplom abzulegen. In Europa wandte sich Weilacher zunehmend der zeitgenössischen und improvisierten Musik zu und trat mit verschiedenen Performance-Gruppen und Ensembles auf wie beispiels- weise dem Ictus Ensemble, dem Blindman Quartet und De Rosas (Brüs- sel), Musique Nouvelle (Mons), Musikfabrik (Köln), Königliches Philharmo- nisches Orchester Flandern und der Flämischen Oper (Antwerpen). Sein Werdegang als Solo-Schlagzeuger brachte ihn mit Komponisten wie Steve Reich, Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann, Volker Staub, Frederic Rzew- ski, Karel Goeyvaerts, Franscesca Verunelli, Sarah Nemtsov, Clara Maïda und Oscar Bianchi zusammen. Seit einigen Jahren lebt Michael in Berlin, gastiert als Solist u.a. bei Sasha Waltz@Guests, spielt mit Ensembles wie dem Kammerensemble Neue Musik Berlin, Work in Progress, United Ber- lin, Solistenensemble Kaleidoskop, Ensemble Kollektiv und der Musikfa- brik NRW. Seit 2014 ist er festes Mitglied des Berlin Piano Percussion En- sembles und tritt regelmäßig mit dem Ali Askin Jazz Quintett auf. Michael ist aktiv als Studiomusiker und widmet sich seinen eigenen Kompositionen für Film und Performance. 2014 arbeitete er mit Constanza Macras/ Dor- kyPark an der Produktion ‚The Past’. Hierfür entwickelte er sowohl eigene Kompositionen, Improvisierte zusammen mit der Musikerin Miako Klein und interpretierte Musik des Komponisten Oscar Bianchi. Im Februar 2015 komponierte er die Musik für „Slipping“, ein Tanzstück der amerikanischen Choreografin Sandrine Harris. Diese Arbeit ist nun in der Weiterentwick- lung mit voraussichtlicher Premiere im Frühjahr 2016 in Minneapolis, Min- nesota. Im September/ Oktober diesen Jahres entwickelt Michael als Komponist und Performer das Stück WWZD: „What Would Zappa Do“; Ein Tanztheater in Zusammenarbeit mit der Neuköllner Oper. Michael ist konti- nuierlich aktiv als Schlagzeuger und Arrangeur in verschiedenen Bands in Berlin (u.a. bei The Somnambulist, Ray Gibson und dem Schachtner Wei- lacher Duo). Im April 2015 erschien bei Sony Classics „The Living Loving Maid“, die erste CD der Band Kronthaler, für die er im Studio einspielte und für deren Konzerte er regelmäßig als Gastmusiker auftritt.

Plakat. Gestaltung: Hang Su.
Plakat. Gestaltung: Hang Su.